Ein Radiofeature von Dorothee Binding auf BR KLASSIK • Im GhettoTheresienstadt, dessen wahre Funktion von einer der größten Propagandalüge des Naziregimes verschleiert wurde, hatten Musiker und Künstler das zweifelhafte Privileg, bis zu ihrem Abtransport in die Vernichtungslager zur Unterhaltung der Mitgefangenen beizutragen und gleichzeitig der ganzen Welt vorzugaukeln, welch angenehmes Leben die Menschen im „jüdischen Siedlungsgebiet“ führen durften. Heute, über 60 Jahre später, hat sich der Geiger Daniel Hope auf den Weg gemacht, um die letzten überlebenden Musiker aus Theresienstadt zu treffen.
Alice Herz–Sommer, die in ihrer Jugend mit Franz Kafka spazieren ging und eine gefeierte Konzertpianistin in Prag war, bevor sie nach Theresienstadt deportiert wurde, besucht Daniel Hope in ihrem bescheidenen Londoner Appartement. Sie hat gerade ihren 109. Geburtstag gefeiert, ist damit die älteste Holocaust-Überlebende – und glaubt fest an die heilende Kraft der Musik:
„Vom 1. Ton an geht die Musik direkt in unsere Seele. Wir sind nicht mehr auf dieser Welt. Wir sind vollkommen auf einer Insel, wo es herrlich ist.“ Mit dem Gitarristen Coco Schuman geht Daniel Hope noch einmal in das Café in Theresienstadt zurück, wo er mit den legendären Ghetto Swingers bei einem Becher „braunen Wasser“ statt Kaffee für die Inhaftierten spielen musste – und durfte. Sein Credo: „Was kann denn die Musik dafür?!“
Zwei Schicksale, zwei Menschen, die auch unter den schwärzesten Bedingungen den Menschen mit ihrer Musik eine geistige Heimat gegeben haben. Dorothee Binding hat die Holocaust-Überlebenden im Rahmen einer Produktion über die Theresienstädter Künstler mit Anne Sofie von Otter, gemeinsam mit dem Geiger Daniel Hope getroffen und mit ihnen über den dunklen Teil ihrer Vergangenheit gesprochen.